Remember History – Fight Fascism!

Vor 80 Jahren brannten am 9. November überall in Deutschland die Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert, Wohnungen verwüstet und Jüdinnen und Juden angegriffen. Während und unmittelbar in Folge des Pogroms starben mehr als 1.300 Menschen. Auch in Münster wurde die Synagoge niedergebrannt, rund 20 Wohnungen und Geschäfte verwüstet. Nach dem Pogrom deportierte das Nazi-Regime mehr als 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager. Die Reichspogromnacht markiert den Übergang von der Verfolgung der Jüdinnen und Juden, die auch schon zuvor erheblichen Diskriminierungen und Repressalien ausgesetzt waren, hin zur bürokratisch organisierten Vernichtungspolitik des deutschen Faschismus.

Mit Beginn des Krieges 1939 wurden Millionen Jüdinnen und Juden in ganz Europa in Ghettos gesperrt und in Lager deportiert, durch Polizei-, Wehrmachts- und SS-Einheiten erschossen, durch Zwangsarbeit getötet und in den Vernichtungslagern planmäßig im industriellen Maßstab ermordet.

Das Nazi-Regime behauptete, bei den Ausschreitungen des 9. November habe es sich um die „berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes“ gehandelt. Die Erschießung des deutschen Gesandten in Paris durch einen 17-jährigen Juden nahmen die Nazis zum Anlass einer reichsweit gesteuerten Aktion. Der staatlich gelenkten Propaganda folgten Befehle für die nächtlichen Angriffe durch die SA. Die Polizei griff nicht ein. Der Feuerwehr wurde vielerorts das Löschen der brennenden Synagogen untersagt.

80 Jahre später müssen wir nun feststellen, wie die Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Faschismus zunehmend verblasst – trotz der zahlreichen Gedenkstätten und anderen Formen der institutionalisierten Auseinandersetzung mit der Geschichte. Vor dem Hintergrund eines Rechtsruck, der eine beängstigende Geschwindigkeit erreicht hat, sehen wir nicht nur ähnliche Mechanismen der Aufhetzung und die Bereitschaft der rechten Kräfte endlich „loszuschlagen“ und Jagd auf all jene zu machen, die in ihrem beschränkten Weltbild kein Platz haben (siehe bsp. Chemnitz).

Wir müssen auch hören, wie führende Politiker der AfD, „Hitler und den Nationalsozialismus“ als „nur einen Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ bezeichnen (Alexander Gauland). Oder von der „dämlichen Bewältigungspolitik“ sprechen und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern (Björn Höcke). Dies sind keine Ausfälle Einzelner, sondern Ausdruck des AfD-Grundsatzprogramms, wo „die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus“ beklagt wird.
Die Entsorgung der deutschen Geschichte ist ein Herzensthema der extremen Rechten, wirft doch die Erinnerung an die Verbrechen des Faschismus einen dunklen Schatten auf ihren Ultranationalismus, steht einer aggressiven Machtpolitik entgegen und lässt rassistische Hetze unmoralisch erscheinen.

In ihrer rassistischen Hetze steht die AfD mittlerweile den Neonazi-Gruppen in nichts nach. Zurzeit geht es aber nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern gegen Zuwanderer*innen und Asylsuchende, insbesondere muslimischen Glaubens. Die AfD distanziert sich nur vordergründig vom Antisemitismus, denn noch ist kein AfD-Politiker, der antisemitische Positionen verbreitet hat, aus der Partei geworfen worden. Überhaupt ist eine Distanzierung von Antisemitismus seitens einer Partei, deren gesamte Politik auf die Verbreitung von Nationalismus und Rassismus ausgerichtet ist, per se unglaubwürdig. Die Feindbilder können schnell ausgetauscht werden. Wer wie die Rechten eine Jahrhunderte alte christlich-jüdische Tradition in Europa behauptet, der kann dies nur, wenn zugleich die Shoah zu einer unbedeutenden Randnotiz der Geschichte abgewertet wird.

Auf der Straße hat die AfD spätestens seit den Ausschreitungen von Chemnitz und dem Aufmarsch von Köthen den Schulterschluss mit Neonazis vollzogen. Die organisierte Neonazi-Szene profitiert ebenfalls von der Rechtsentwicklung, sie verspürt Rückenwind. Zugleich ist sie aber bemüht, als eigenständige Akteurin sichtbar zu bleiben. Ein bedeutender Teil der militanten Neonazis ist mittlerweile in der Partei „Die Rechte“ organisiert. Aktuell betreibt diese eine Kampagne mit dem Motto „Freiheit für Ursula Haverbeck“. Hier steht die Glorifizierung des deutschen Faschismus und die Leugnung seiner Verbrechen im Mittelpunkt.

Haverbeck war die Vorsitzende des verbotenen „Vereins zur Rehabilitierung des wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“. Sie und ihre Mitstreiter*innen leugnen den Massenmord an den Jüdinnen und Juden. Öffentlich bestreiten sie die Existenz der Shoah, wohl wissend, dass sie sich damit nach §130 StGB (Volksverhetzung) strafbar machen. Es ist ihr Kalkül, wegen ihrer Äußerungen vor Gericht gestellt zu werden.

Die Prozesse nutzen sie als politische Bühne, nach der Verurteilung inszenieren sie sich als verfolgte Opfer. Haverbeck hat diese Strategie in den letzten Jahren auf die Spitze getrieben. Die 89-jährige wurde immer wieder verurteilt, 2016 schließlich auch zu einer Haftstrafe ohne Bewährung. Am 2. Mai 2018 sollte sie die Haftstrafe antreten, erschien aber bewusst nicht, um sich festnehmen zu lassen. Seitdem ist ihr Status als Märtyrerin der Neonazi-Szene unangefochten. Kurz nach ihrer Verhaftung demonstrierten 500 Neonazis in Bielefeld. „Die Rechte“ hatte sie bereits Anfang des Jahres zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl gekürt.

Nun soll am 10. November 2018 anlässlich von Haverbecks 90. Geburtstag ein weiterer Naziaufmarsch in Bielefeld stattfinden. Vermutlich wird es der größte Naziaufmarsch in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr.

So absurd es erscheinen mag, die offenkundige Tatsache der Shoah zu leugnen, die Neonazis erreichen mit ihrer Kampagne Resonanz weit über die eigene Szene hinaus. Die Kampagne reiht sich ein in die rechte Erzählung der angeblich „fehlenden Meinungsfreiheit“ und trifft auf offene Ohren bei all denjenigen, die mittlerweile jedes Faktum verneinen, das dem eigenen verqueren Weltbild entgegen steht.

Zudem wird Haverbecks Haft benutzt, um einmal mehr die rechte Erzählung zu bedienen, wonach (fremde) Gewalttäter von deutschen Justiz mit Milde bedacht würden, eine arme deutsche Oma aber für ein „Meinungsdelikt“ eingesperrt werde. Genauso argumentierte Björn Höcke bereits im Oktober 2016. So verwundert es auch nicht, dass die von einem brandenburgischen AfD-Landtagsabgeordneten verwaltete Facebook-Seite „AfD Termin Kalender“ zeitweise für den Naziaufmarsch zu Ehren Haverbecks warb.

Als Antifaschist*innen werden wir uns dem Rechtsruck entgegen stellen – und am 10. November an den Antifa-Aktionen in Bielefeld teilnehmen. Lassen wir nicht zu, dass die Erinnerung verblasst. Stellen wir uns all jenen entgegen, die die Verbrechen des deutschen Faschismus verharmlosen.

Gegen jeden Antisemitismus! Gegen Rassismus und Nationalismus!
Remember History – Fight Fascism!

 

Autor*in
Antifa Linke Münster